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ZUSAMMENFASSUNG
Võrumaa ist der historische Landkreis in Südosten Estlands, der aus acht Kirchspielen besteht (Kanepi, Urvaste, Karula, Hargla, Rõuge, Põlva, Vastseliina und Räpina) und trotz seiner heutigen Aufteilung auf vier Landkreise eine historische und sprachliche Einheit darstellt. Võrumaa grenzt im Süden an Lettland und im Osten an Setumaa.
Als Setumaa verstehen wir den Teil des historischen Landkreises Petseri, dessen ursprüngliche Einwohner Setus sind – heute ein Subnation der Esten, die ihren orthodoxen Glauben und eigene Sitten und Gebräuche bewahrt haben. Setumaa ist heute zwischen Estland und Russland aufgeteilt. Das Namenmaterial in dieser Arbeit stammt nur von der estnischen Seite von Setumaa.
Über das Namengut von Võrumaa und Setomaa ist bis heute noch nichts Grundlegendes erschienen. Die vorliegende Diplomarbeit ist der erste Versuch, eine Übersicht zu geben, zuerst über die volkssprachlichen Grundwörter. Betrachtet werden aber nur solche Grundwörter, in denen der Zusammenhang zwischen Bezeichnendem und Bezeichneten noch deutlich wird, also Gattungswörter des heutigen Südestnischen. In einigen Fällen ist “Gattungswort” als Terminus jedoch nicht ganz passend, weil diejenigen, die den Namen gebrauchen, die Bedeutung des Grundworts gar nicht mehr verstehen. In diesem Fall haben sie entsprechend den strukturellen Grundlagen der estnischen Ortsnamenbildung immer die Möglichkeit, ein neues Gattungswort anzuhängen. Das wird im amtlichen Namengebrauch auch häufig gemacht, obwohl im lokalen Gebrauch der unergänzte Name weiterlebt.
Die Erklärung der Bedeutung der primären Grundwörter ist der Hauptziel dieser Arbeit. Dafür werden die Grundwörter und deren Verbreitungsgebiete mit den Verbreitungsgebieten des lokalen Landschaftswortschatzes verglichen, wie er in den Mundartsammlungen überliefert ist.
Im zweiten Kapitel, das der Einleitung folgt, gibt die Autorin einen Überblick über die Natur, die Geschichte und die Sprache von Võrumaa und Setumaa. Dabei werden die Vorschläge zur Mundartgliederung der südestnischen Sprache bei verschiedenen Autoren genauer betrachtet.
Das dritte Kapitel widmet sich der Grundworttheorie der estnischen Autoren Valdek Pall, Marja Kallasmaa und Jaak Simm, die Beziehungen zwischen Ortsnamen und Landschaftswortschatz werden auch im Hinblick auf die Aussagen des russischen Autors Eduard Murzaev beobachtet. In estnischen Ortsnamen ist es allgemein, dass das Grundwort oder Gattungswort die Gattung des Namenobjekts anzeigt. Das Grundwort findet sich im Ortsname als Zweitelement nach der Attributteil und kann damit zusammen oder auch getrennt geschrieben werden, in den sekundären Namen häufiger getrennt. Zweitens kann der geographische Terminus auch alleine die Funktion eines Ortsnamens ausüben (“Terminusname”). In einem geschlossenen Kommunikationskreis sind auch Mõisa ‘Gut’, Liin ‘Stadt’ und Järv ‘der See’ Ortsnamen. Wenn solche Namen aus heute seltsamen Terminen entstanden sind Sõõrd ‘die Schwende’, Kund – ein Mundartwort für den ‘Wald’, dann werden sie schon als stabile Ortsnamen empfunden.
Das Grundwort als Gattungswort ist gekennzeichnet durch den Nominativ. Wenn das Grundwort (Zweitelement) heutzutage nicht mehr das Objekt bezeichnet, zu dem der Name gehört, steht es im Genetiv, z.B. in der Namen von Ortschaften und Gehöften.
Das vierte Kapitel, die Untersuchung der Grundwörter, ist in mehrere begriffliche Abteilungen gegliedert. Die Untersuchung hat gezeigt, dass es mindestens 172 determinierende Grundwörter in den volkstümlichen Ortsnamen von Võrumaa und Setumaa gibt, hauptsächlich die Grundwörter der Flurnamen. Einige Grundwörter haben auch innerhalb von Võrumaa und Setomaa Variationen im Lautbild lump~lomp ‘Tümpel’, kink~kenk ‘Hügel’, palo~palu ‘der trockene Wald’, ruu~ruug ‘Schilf’. Diese Varianten wurden nicht einzeln mitgerechnet.
Es ist sehr gut möglich, dass es in historischen Quellen noch viele Beispiele für ehemalige Gattungswörter gibt, die heute nicht mehr im Gebrauch sind oder als genetivische Zweitelemente gebraucht werden. Das bekannteste Beispiel ist *urg (Nom.): ura~ora (Gen.) ‘Bach’, das als Landschaftswort nur in der erloschenen Sprachinsel Leivu festgestellt wurde. In Võrumaa konnte kein Gebrauch des Wortes registriert werden. Es gibt einige seltene und auf den ersten Anblick auch seltsame Bachnamen, in denen dieses Wort als Grundwort gebraucht wird: Saluora, Vinnora, Villigä ura. Viel häufiger kommt aber ura~ora als einfaches Zweitelement vor: Hofname Pihkura, Heuschlag Viirgura, Gutsname Veriora usw. Wenn in der Sprache sich die Bedeutung eines Wortes schon verdunkelt, kann dieses Wort auch nicht lange als Gattungswort im Gebrauch bleiben. Das alte Grundwort wird mit einem eindeutigen und durchsichtigen Gattungswort ergänzt: Ura oja ‘Bach Ura’, Orajõgi ‘Fluss Ora’, oder ausgetauscht: Veriora>Verioja.
Man kann auch die Grundwörter aus benachbarten Sprachen entlehnen. In Võrumaa finden wir aus dem Lettischen plants´ka ‘dichter, toniger Acker’, in Setomaa aus dem Russischen kuba ‘Bucht’. Manchmal läßt sich die passende Bedeutung des Grundworts mit Hilfe einer anderen ostseefinnischen Sprache rekonstruieren.
Es gibt viele Grundwörter, die über ganz Estland verbreitet sind und auch in Võrumaa vorkommen. Man muss allerdings beachten, dass semantisch nicht immer eine Deckungsgleichheit besteht. Im Nordestland unterscheidet die Volkssprache Hochmoor: raba und Niedermoor: soo. Im Südestland gilt für beides soo und raba ist als Grundwort gar nicht bekannt. kivi bedeutet in meisten nordestnischen Mundarten nur ‘Stein’, in Südestland aber ‘Stein, Mühle, Klippe im Wasser’.
Ausschließlich südestnische Grundwörter treffen wir sowohl in Võrumaa und Setomaa als auch in anderen Mundarten der südestnischen Sprache. Reine “Võrumaa-Grundwörter” gibt es leider nicht. Es gibt natürlich seltene Grundwörter, die nur in ein oder zwei Kirchspielmundarten bekannt sind. Hier ist die Einheit der drei Võruschen Kirchspiele Põlva, Räpina und Tartuer Võnnu mit den gemeinsam endemischen Grundwörtern vars (Võn, Räp), ts´oll (Võn, Räp), praks (Võn, Plv), pae (Võn, Plv) besonders hervorzuheben.
Einige Grundwörter haben auch innerhalb von Võrumaa unterschiedliche Bedeutungen, z.B. kund ‘schlechtes, unbrauchbares land’ (Plv), ‘Heuschlag’ (Rõu), ‘Wald’ (Vas). Natürlich gibt es auch vollkommen synonyme Grundwörter.
“Terminusnamen” können entstehen, wenn es keine Objekten derselben Gattung in der Nachbarnschaft gibt, oft z.B. Järv ‘See’, oder wenn das Objekt augenfällig grösser ist als die benachbarten, z.B. Liin ‘Stadt’ für die Kreisstadt. Es gibt aber auch diminutive Terminusnamen für augenfällig kleine Objekte: Kunnukõnõ, Suukõnõ, Järvekene u.a.
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